Der Umwelt zuliebe entschlossen sich die Damen 1 des TSV Grafing dazu, mit nur einem Auto die lange Anfahrt nach Günzburg zu bestreiten. Da nur neun Personen in dem mit der grünen Umweltplakette ausgestatteten Bus Platz haben, wurde neben mehreren Spielerinnen sogar auf die Trainerin verzichtet. Diese hatte sowieso mit gesundheitlichen Problemen zu kämpfen und sah diese Auswärtsfahrt als eine geeignete Gelegenheit für ihre Mannschaft, um endlich erwachsen zu werden. Um dennoch ein erfahrenes Pferd aufstellen zu können und die beiden verhinderten, etatmäßigen Torhüterinnen zu ersetzen, entschloss sich Kathrin Goham, eigentlich schon im Handball-Ruhestand, die Handballschuhe wieder vom Nagel zu nehmen und spontan einzuspringen. An dieser Stelle vielen Dank für diese ehrenvolle Tat, das fehlende Training hat man dir nicht angesehen!
Wie scheue Rehe kamen die Damen in der gut besetzten und lauten Günzburger Halle an. Erfahrene Börsianer wussten längst, dass Grafing nur auf die „alles-oder-nichts-Karte“ setzen konnte. Nach zwei hohen Niederlagen bei einem bisher ungeschlagenem Gegner anzutreten, verspricht zunächst einmal nicht viel. So nahmen sich die Gäste aus Grafing vor, mit den favorisierten Günzburgerinnen mitzuhalten und einen Handball zu präsentieren, der den nicht angereisten Fans die lange Fahrt auszahlen sollte.
Zunächst ging der Plan auch soweit auf. Die ersten Minuten des Spiels waren durchaus ausgeglichen. So ausgeglichen, dass der Günzburger Trainer in der 11. Spielminute beim Stand von 4:4 die Reißleine zog und sein Team im Timeout auf die richtige Spur bringen wollte. Eine saftige Ansprache gab es auf Grafings Seite durch das Fehlen eines Trainers nicht, sodass mehr im Kollektiv besprochen wurde. Entgegen allen Erwartungen war Günzburgs Timeout-Strategie wirkungsvoller und die Gastgeber konnten sich erstmals absetzen. Zunächst konnten die Grafingerinnen den Abstand noch auf drei, vier Tore halten (11:8 in der 18. Minute), irgendwann zog Günzburg aber so weit davon, dass die Grafingerinnen gerade noch so den Günzburger Schweif sehen konnten. Auch das Grafinger Timeout fruchtete nicht und wurde bei dem kleinen Kader größtenteils zum Durchatmen genutzt. Hätten die Grafingerinnen gewusst, dass der Günzburger Hallenverkauf ein Hopfen und Malz Getränk namens „Zielwasser“ verkauft, hätten sie das wohl per Infusion eingenommen. Denn besonders die Chancenauswertung war katastrophal. Beim Stand von 23:11 trennten sich beide Mannschaften für 10 Minuten. Die Gäste hofften in der Pause abwechselnd auf ein Wunder und fanden sich mit der eher unguten Situation ab. Ziel war es jedoch, den Abstand nicht ins unzählbare größer werden zu lassen. Außerdem wollte man erreichen, dass der enthusiastische Hallensprecher aus Günzburg möglichst oft die wohlklingenden Grafinger Spielernamen aussprach. So ganz ging der Plan nicht auf, dennoch gab es durchaus hervorzuhebende Momente. Die ab der 12. Minute rotgefährdete Jenny zeigte allen, dass sie doch noch nicht duschen gehen wollte und präsentierte ein ganz neues Abwehrbild indem sie ihre Gegnerinnen nun mit herzhaften Umarmungen verwöhnte. Bis zum Ende blieb sie im Spiel, das hat kein Spekulant geglaubt. Insgesamt gab es wirklich selten ein Spiel von 6 gegen 6. Grafing musste fünf und Günzburg sogar neun Zeitstrafen in Kauf nehmen. Jedoch braucht man nicht glauben, dass Grafing aus dem häufigen Überzahlspiel viel Profit gezogen hat, nach wie vor fehlte es den Spielerinnen am „Zielwasser“. Die Abwehr konnte die Günzburgerinnen oft nur kurz, jedoch selten bis zum Pfiff halten. Die viel zu vielen freien Würfe waren auch für die erfahrene Kathrin Goham eine schwierige Aufgabe, dennoch zeigte sie so einige Paraden aus „den alten Zeiten“. Am Ende wurde lediglich Ergebniskosmetik betrieben, in einigen Angriffen zeigten die Gäste aus Grafing aber durchaus, dass sie schönen Handball spielen können. Nach dem Abpfiff des Schiedsrichtergespanns beim Stand von 46 zu 28 kam einigen Grafingerinnen der Gedanke, ob ein Ausflug ins so nah gelegene Legoland nicht doch amüsanter gewesen wäre.
Dennoch wird nicht aufgegeben. Mit 28 geworfenen Toren kann man locker ein Spiel gewinnen. Jetzt geht es daran zu arbeiten, dass bei den Gegnern seltener der 40er Kasten gezahlt werden muss. Grafings Abwehr muss weg von den freundlichen Umarmungen und hin zu landesligatauglicher Abwehr. Aber irgendwann steigt auch wieder der Grafinger Aktienkurs, da sind sich die erfahrenen Geldanleger sicher.
Den Grafinger Damen liegt die Umwelt ja wirklich am Herzen, das Projekt „Grafing goes green“ ist jedoch gescheitert. In den kommenden Begegnungen möchte die Mannschaft doch nicht mehr auf mehrere Spielerinnen sowie die Trainerin verzichten. Umweltschutz muss auch anders gelingen.
Es spielten: Kathrin Goham im Tor, Sophia Werth (4), Franziska Hirtreiter (2), Sonja Morath (3), Sara Broß (9/3), Richardis Schurer (6), Nina Richter (3), Jenny Reimer (1), Theresa Böttcher.